Erste Ergebnisse "Bunte Bänder für unsere Städte in Zeiten des Klimawandels"

Anlage der Blühflächen

Die Konzipierung der Saatmischung erfolgte anhand mehrerer Auswahlkriterien. Zur Auswahl standen ausschließlich autochthone Wildpflanzen, die sich sowohl im Hinblick auf ihre Attraktivität für Insekten eignen, als auch unter den besonderen Boden- und Klimabedingungen in der Stadt zurechtkommen. Die Pflanzenarten wurden nach ihren funktionalen Eigenschaften (Tab. 1) mithilfe einer Clusteranalyse gruppiert und unter Berücksichtigung einer möglichst hohen phylogenetischen Vielfalt ausgewählt.

Abschließend wurden 26 Pflanzen, vor allem Arten der anthropo-zoogenen Heiden und Rasen sowie der krautigen Vegetation oft gestörter Plätze verwendet. Die Blühflächen wurden nach Abnahme der Grasnarbe und Auftrag eines Ansaatsubstrates im April bis Mai 2019 eingesät. Keimung und Auflaufen der Zielarten wurde in zwei Vegetationsaufnahmen mittels Zählquadraten dokumentiert.

Im ersten Jahr des Vorhabens (2019) wurden 23 Blühflächen mit je 16 m2 angelegt. Das Versuchsdesign sieht vor, in den kommenden drei Jahren weitere 75 Flächen in exponentiellen Abständen zueinander anzulegen (Abb. 1). Diese variierenden Abstände berücksichtigen die maximalen Sammeldistanzen solitärer Wildbienen als wichtigste Bestäubergruppe und dienen als Indikatoren zur Analyse der maximalen Entfernungen, die einzelne Blühflächen zueinander haben können, um als ‚Trittsteine‘ Austausch und Bewegungen zwischen städtischen Bestäuberpopulationen zu ermöglichen und die Neubesiedelung von geeigneten Habitaten zu erleichtern.

Durch die jährliche Erweiterung des Blühflächenbestandes werden die Straßenzüge in einem räumlich-zeitlichen Kontext betrachtet und zudem untersucht, inwiefern sie als potentielle Bewegungs-Korridore genutzt werden.

Landschaftsanalyse

Die umgebende Landschaft und Landnutzung einer Untersuchungsfläche bestimmt maßgeblich, ob und welche Bestäuberarten dort gefunden werden. Um ein Bild über die landschaftlichen Einflussfaktoren der Stadt München zu erhalten, wurden in Umkreisen von 200, 500 und 1000 m um jeden Plot Landschaftselemente und Landnutzungstypen kartiert (Abb.2).

Diese Gliederung richtet sich nach den Flugdistanzen verschiedener Bestäuberarten, die je nach Lebensweise und Körpergröße deutlich variieren können.

Innerhalb des 200 m Radius wurden manuelle Kartierungen vorgenommen, in den größeren Radien wurden digitale Daten herangezogen (Open Street Map, Corine Land Cover). Anschließend wurde anhand der Landschaftsdaten eine Kategorisierung der Plots in die Urbanisierungsgrade ‚urban‘, ‚peri-urban‘ und ‚rural‘ unterteilt werden. Maßgeblich spielte hier der Versiegelungsgrad und der prozentuale Anteil von Grünflächen und Privatgärten eine Rolle.

Insektenerfassung

An allen Plots wurden 2019 insgesamt 132 Nisthilfen zur Untersuchung oberirdisch nistender solitärer Wildbienen und Wespen aufgestellt (Abb. 3). Nach Besiedelung können diese Nester geöffnet und die nistenden Tiere sowie deren Antagonisten (Prädatoren und Parasitoide) auf Gattungs- oder Artebene bestimmt werden. Zudem wurden Farbschalen zur Aufnahme des Insektenvorkommens auf den Versuchsflächen in der Stadt eingesetzt. Die Schalen dienen als Blütenattrappen und eignen sich besonders gut für Einblicke in ein möglichst breites Artenspektrum blütenbesuchender Insekten. Die gefangenen Insekten wurden nach Großgruppen sortiert; Wildbienen, Hummeln und Schwebfliegen werden bis zur Art bestimmt.

Erste Schlussfolgerungen

  • Bei der Gesamtartenzahl wie auch beim Auflaufen der Zielarten zeigen sich deutliche Unterschiede hinsichtlich der Urbanisierungsgrade
  • Verglichen mit den peri-urbanen und ruralen Flächen etablierten sich auf den urbanen Flächen deutlich weniger Arten. Dies könnte zum einen aufgrund höherer Trockenheit durch schnellere Verdunstung und geringeres Wasserretentionsvermögen der verdichteten Untergründe auf den urbanen Flächen liegen. Zusätzlich könnte dieses Ergebnis auch mit erhöhten Störungseinwirkungen, z. B. durch Tritt von Passanten, in Verbindung stehen
  • Die Ergebnisse machen deutlich, dass in den unterschiedlichen Stadtgebieten eine Anpassung der Flächenanlage und -management notwendig sein könnte
  • Die Beobachtung der weiteren Entwicklung wird zeigen, ob über längere Zeitspannen möglicherweise eine Angleichung erfolgt
  • Ergebnisse der Farbschalenfänge werden hier exemplarisch für die Gruppe der Wildbienen dargestellt. Insgesamt wurden 576 Individuen aus neun Gattungen und 46 Arten bestimmt. Sowohl Abundanz wie Artenzahlen der Wildbienen zeigt in dem erhobenen Datensatz keine signifikanten Unterschiede in den Urbanisierungskategorien, ein Trend zu einem erhöhten Vorkommen von Wildbienen im peri-urbanen Raum ist jedoch zu erkennen. Wir vermuten, dass durch die schlechte Habitatqualität des ökologisch eher bedeutungsarmen Straßenbegleitgrüns Wildbienen als Zufallsfänge in den Farbschalen auftauchten
  • Deutlich zu erkennen sind jedoch Effekte des Grünflächenanteils auf die Abundanz der Wildbienen auf mittlerer (500 m) und großer (1000 m) Maßstabsebene. Dieser Effekt lässt sich auf den hohen Anteil von 75 % bodennistender Wildbienenarten zurückführen
  • Während des Nisthilfen-Experiment wurden 526 besiedelte Nester untersucht, die insgesamt 2749 Brutzellen enthielten
  • Die Nester wurden von 12 Bienenarten aus fünf Gattungen, 15 Wespenarten aus neun Gattungen und 23 Arten von Antagonisten genutzt. Durchschnittlich waren 18,6 % (±2,6) der Brutzellen parasitiert. In den statistischen Modellen erklärte vor allem die Landschaftsvariable ‚Versiegelung‘ im 500 m Umkreis Abundanz, Vielfalt und Mortalität der gefundenen Insekten. Bei ansteigender Versiegelung zeigten die Modelle einen Abfall der Abundanz und der Artenzahl sowie eine steigende Mortalitätsrate. Dieses Ergebnis könnte auf ein verknapptes Nahrungsangebot bei steigender Versiegelung hindeuten, durch das sich weniger Insekten in diesem Gebiet aufhalten und durch eine schlechtere Versorgung der Larven deren Sterblichkeit ansteigt

Zusammenfassung und Ausblick

Den vorläufigen Ergebnissen nach zu urteilen besitzt das Straßenbegleitgrün als Nahrungshabitat großes Potential, da sich vor allem eine große Anzahl Wildbienen aus unterschiedlichen Gattungen einfanden, die als potentielle Profiteure dieser Blühflächen in Frage kommen.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Abundanz und Artenvielfalt von Bestäubern variieren entlang des städtischen Gradienten;
  • Höchste Abundanz und Artenzahlen wurden im peri-urbanen Bereich gefunden;
  • Wichtigste Einflussgrößen auf Landschaftsebene auf Abundanz und Vielfalt von Bestäubern sind der Grad der Versiegelung sowie die Anteile von Gehölzen und Grünflächen;
  • Aufwertungsmaßnahmen im Straßenbegleitgrün haben großes Potential, Bestäuber in der Stadt zu fördern.

Ausblick:

  • Start von großflächigen Ansaatversuchen mit unterschiedlichen Gräser-Anteilen in München und am Campus Weihenstephan;
  • Fortführung der Aufnahme der Blühflächenentwicklung;
  • Versuche in den Klimakammern von TUMmesa unter Berücksichtigung unterschiedlicher Klimaszenarios (Hitze, Trockenheit, atmosphärische CO2-Konzentration);
  • Fortführung der Datenerhebung mit Farbschalen und Nisthilfen;
  • Phytometer-Experiment zur Messung der Effekte der Blühflächen auf den Bestäubungserfolg ausgewählter Modellpflanzen;
  • Vorversuche zu Release-Capture-Recapture-Experimenten zur Untersuchung des Bewegungsverhaltens von Wildbienen in der Stadt;
  • Auswertung der Vorher-Nachher-Erhebungen von Farbschalen und Nisthilfen.