Methodik "Bunte Bänder für unsere Städte in Zeiten des Klimawandels"
Projektteil 1: Anlage naturnaher Blühflächen im Praxistest
Um die ökologische Funktionalität in Städten in Zeiten des Klimawandels zu erhöhen und den Austausch von Bestäubern und anderen Nützlingen vom Umland ins Stadtzentrum zu fördern, sollen neuartige Blühflächen im Rasen des Seitenstreifens von Verkehrsachsen angelegt werden (bei Abb. 1: Konzeptschema zum Projekt, Förderung der ökologischen Funktionalität städtischer Grünflächen. ausreichender Breite auch im Mittelstreifen).
Die geeignetsten Achsen sind in München die Ingolstädter Straße von der nördlichen Leopoldstraße bis zum Naturschutzgebiet Panzerwiese, die Lerchenauer Straße, Arnulfstraße, Agnes-Bernauer-Straße, Gotthardstraße, Fürstenrieder Straße, Rosenheimer Straße und die Freisinger Landstraße. Die bisher eingesäten artenarmen Grasmischungen sollen an fünf dieser Ausfallstraßen durch insektenfreundliche, naturnahe Blühmischungen mit unterschiedlicher Wildpflanzendeckung ersetzt werden. Die Blühflächen sollen das Stadtzentrum über den peri-urbanen Bereich mit dem Umland verbinden und als buntes Band entlang von Verkehrsachsen mit abnehmender Versiegelung und zunehmender Vegetationsdeckung angelegt werden (Abb. 2).
In jedem Stadtbereich erstrecken sich die Bunten Bänder über eine Gesamtlänge von 1200 m und haben einen minimalen Abstand von 1500 m. Insgesamt ist deshalb eine minimale Länge der Verkehrsachsen von 6700 m notwendig. Um die Wanderung und den Austausch von Bestäubern, wie z.B. Wildbienen, und anderen Nützlingen zu ermöglichen, sollen insgesamt 10 Blühflächen in jedem bunten Band angelegt werden (Abb. 3). Die Blühflächen werden auf dem begrünten Seitenstreifen in exponentiellen Abständen von 7, 20, 55, 150, 400, 400, 150, 55, 20 und 7 m je Stadtbereich angelegt. Damit ist es möglich, mithilfe von Fang-Wiederfang, Farbschalen und Nisthilfen sowohl die Richtung des Austauschs, als auch die optimalen Abstände zwischen den Blühflächen zu erfassen.
Da die Interaktionen der Blühflächen mit ihrer Umgebung ein Schwerpunkt unseres Vorhabens ist, werden die Nachbarnutzungen (Grünflächenanteil, Versiegelung u.a.) der Versuchsflächen, Ausbreitungsbarrieren für Bestäubern (Brücken, Unterführungen u.a.) und die Distanz zum Umland analysiert.
Pro Blühfläche sollen drei direkt aneinandergrenzende Parzellen auf jeweils einer Größe von 2 m x 3 m angelegt werden. Die Anlage dieser Blühflächen erfolgt mit einer standardisierten Artenmischung, die eine hohe Attraktivität für Bestäuber und andere Nützlinge hat. Sie entspricht kommerziell erhältlichen „Verkehrsinselmischungen“ annueller und mehrjähriger Wildpflanzen regionaler Herkunft. Für Bestäuber besonders attraktive Arten sind Centaurea cyanus, Knautia arvensis und Teucrium chamaedrys.
Das Ziel dieses Praxistests multifunktionaler Saatmischungen für den urbanen Bereich ist die großflächige Etablierung entsprechender Blühflächen unter Einbindung seltener Arten und attraktiver Blühaspekte über einen möglichst langen Zeitraum. Das stadtweite Design des Projekts ermöglicht es, die Bedeutung der räumlichen Anordnung von Blühflächen für Biodiversität und urbane Klimaanpassung zu untersuchen.
Projektteil 2: Förderung von Bestäubern und anderen Nützlingen
Zur Bedeutung der Blühflächen als Nahrungshabitat für Bestäuber (Hautflügler, Zweiflügler, Schmetterlinge) und andere Nützlinge (Florfliegen, Marienkäfer, Schwebfliegen) werden Farbschalen eingesetzt. Die Erhebungen werden während der Hauptblütezeit der Blütenpflanzen von Anfang Mai bis Ende September durchgeführt.
Um die Qualität der Blühflächen als Nisthabitate zu erfassen, werden Nisthilfen aufgestellt. Pro Blühfläche werden jeweils zwei Nisthilfen vom Frühjahr bis zum Herbst aufgestellt. Nach dem Einsammeln werden alle verschlossenen Schilfhalme gesichtet, aufgeschnitten und alle Bestäuber und anderen Nützlinge bestimmt.
Um den Einfluss der Blühflächen auf das Bewegungsverhalten und die Flugdistanzen ausgewählter Insektenarten zu untersuchen, sollen mithilfe der Fang-Markierung-Wiederfang-Methode markierter Individuen und Direktbeobachtungen die Bewegungspfade erfasst werden. Durch die Kombination dieser beiden Methoden ist es möglich die Abstände zwischen den Blühflächen zu optimieren sowie die Gestaltung der Blühflächen so anzupassen, dass ein effektiver Austausch der Insektenpopulationen zwischen den einzelnen Blühflächen stattfindet.
Projektteil 3: Erfassung der Klimaregulationsfunktion der Blühflächen
In diesem Teil wird der Einfluss der Blühflächen auf das urbane Kleinklima sowie die Belastbarkeit der Blühflächen durch Hitze- und Trockenstress untersucht. Das Bestandesklima wird in ausgewählten Blühflächen entlang des Stadt-Land-Gradienten analysiert und mit in unbehandelten Grünlandflächen gewonnenen Daten verglichen. Wir verwenden dazu im Freiland in den Sommermonaten kleine, selbstregistrierende Thermo- und Bodenfeuchtelogger.
In den TUMmesa-Klimakammern werden die Etablierung und Entwicklung der Mischungen bezüglich ihrer Biomasse und Blütenproduktion untersucht, und zwar unter dem Einfluss von Hitzewellen, Trocken- und Überflutungsstress. Die Versuche in Klimakammern werden durch Freilandansaaten im Versuchsgut Dürnast der TUM ergänzt.
Projektteil 4: Erfassung der soziokulturellen Akzeptanz und des ökonomischen Werts der Blühflächen
Die Attraktivität und die Akzeptanz der Blühflächen bei der Bevölkerung im Stadtzentrum, peri-urbanen Bereich und Umland soll durch standardisierte Umfragen von Passanten und Anwohnern ermittelt werden. Unter welchen Bedingungen die Stadtverwaltung das langfristige Anlegen und die Pflege multifunktionaler Blühflächen entlang von Verkehrsachsen akzeptieren und wo noch Optimierungsbedarf besteht, soll eine Befragung der Referatsleiter mit offenen, halboffenen und geschlossenen Fragen klären.
Zur ganzheitlichen Bilanzierung der wirtschaftlichen, naturschutzfachlichen und/oder sozialen Aspekten der Anlage naturnaher Blühflächen entlang von Verkehrsachsen im Vergleich zu herkömmlichen Grünflächen sollen in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung umfassende Ökobilanzen entwickelt werden. Die Bewertung stützt sich auf folgende drei Säulen: (1) Umweltbilanz, (2) Lebenszykluskosten-Analysen und (3) eine soziale Ökobilanz. Die Gegenüberstellung dieser drei Bewertungsverfahren soll zeigen, wo Zielkonflikte bei den verschiedenen Komponenten des Projektes entstehen können. Diese ganzheitliche Sichtweise ermöglicht es, das Bewusstsein der Stadtverwaltung und Bürger für eine nachhaltige Nutzung der städtischen Grünflächen zu stärken.